Die vielseitige Malerin Katerina Teresidi verarbeitet in ihren Bildserien diverse Themenbereiche. Zu ihren Werken gehören Darstellungen von Eislandschaften, einschneidenden politischen Ereignissen und Kompositionen aus den Bereichen der Biologie und Technologie — um nur ein paar Beispiele zu nennen. Unsere Redakteurin Alina Getz befragte die Künstlerin zu ihrem kreativen Schaffensprozess und den neuen Herausforderungen, die sich durch die Corona-Krise ergeben haben. Wir präsentieren außerdem zwei ihrer aktuellsten Gemälde, die während des Lockdowns entstanden sind.
Katerina Teresidi im Interview
Welche Bedeutung hat Kunst für dich und was macht dein persönliches Schaffen besonders?
Kunst erfüllt mein Leben und ist für mich übergreifend und transzendent. Ich arbeite derzeit daran, eine eigene Bildsprache zu entwickeln, welche zum Unbewussten spricht. Ähnlich ist es bei Traumbildern. In der Kunst schätze ich die Freiheit intuitiven Verbindens von Informationen aus verschiedenen Lebensbereichen und Wissensgebieten. Es freut mich, wenn die Betrachter durch meine Arbeiten berührt und zu neuen Ideen angeregt werden.
Was dient bei deinem künstlerischen Wirken als Impuls, um Ideen letztendlich zu verbildlichen?
Wie ist die Welt aufgebaut, was ist der Mensch, wie entwickelt sich unsere Gesellschaft, was ist die Seele – diese und ähnliche Fragestellungen beschäftigen mich in meinem Kunstschaffen. Ein dazugehörender Aspekt ist die Beobachtung politischer und sozialer Entwicklungen in der Gesellschaft. In beiden Fällen verwende ich die Kunst als Werkzeug zur Bewusstwerdung der Fragestellungen und als Reflexionshilfe. Gleichzeitig ist für mich der ästhetische Aspekt in meinen Arbeiten sehr wichtig und die Kraft, die sie ausstrahlen.
Du bist in Georgien geboren und hast deine ersten zehn Lebensjahre in Russland, Griechenland und der Schweiz verbracht, bevor du nach Österreich gezogen bist. Inwiefern spiegeln sich deine eigenen Gefühle beispielsweise in der Bildserie „Journey Into The Unknown“ wider?
Während meiner Studienzeit an der Kunstuniversität Linz habe ich in meinen Arbeiten von 2013 – 2015 politische Themen aufgegriffen, um die Gesellschaft besser zu verstehen. Als Reaktion auf den Maidan-Konflikt, der mir sehr nahe ging, entstand die Bilderreihe Demonstrationen. Bis zu meinem Diplom blieb ich bei der politisch-sozialen Beobachtung und erschuf zuletzt die großformatige Serie Reise ins Ungewisse, die anschließend im Kunstmuseum Lentos, in der Deutschvilla Strobl am Wolfgangsee und im Showroom Karlsplatz des Red Carpet Art Awards in der Wiener U-Bahn ausgestellt wurde.
In dieser Serie verarbeitete ich hauptsächlich mein Staunen über die sich bewegenden Massen der Menschen, die ich in dieser Form nie für möglich gehalten hätte. Bei ihrem Anblick wurde mir bewusst, dass diese Massenwanderungen eine weitreichende gesellschaftliche Transformation ankündigten. Diese Beobachtung wollte ich unbedingt visuell festhalten.
Gibt es Phasen, in denen du in der Außenwelt nichts beobachtest, was du gerne auf einer Leinwand festhalten würdest? Wie gehst du mit kreativen Blockaden um?
Nach meinem Umzug nach Wien hatte ich mit einer zu kämpfen – ich stand in meinem Inneren vor einer Wand und wusste nicht weiter, also habe ich mich auf die psychischen Vorgänge besonnen und mich auf dieses Hindernis eingelassen. Mir fiel dabei nichts Besseres ein, als genau diese Wand zu malen, die sich als eine Felswand herausstellte und als ich immer weiter zurück ging, erblickte ich einen Berg, dann eine eisige Landschaft mit tiefen Seen und Eisgletschern.
So entstand aus dieser anfänglichen Sackgasse die Serie Innerer Wandlungsprozess, wo ich durch meine Gemälde, wie durch verschieden große Fenster, Einblicke in diese innere Welt gewähre. Wie Carl Gustav Jung sagt, existiert in jedem von uns ein riesiges unbewusstes Universum. Im Nachhinein bin ich für die Erfahrung dieser Überwindung des Hindernisses dankbar.
Da deine Kunstwerke auch in Georgien und Italien ausgestellt wurden, wäre es interessant zu wissen, ob sich das Ausmaß der Anerkennung und die Reaktionen des Publikums im In- und Ausland voneinander unterscheiden?
Ich muss ehrlich sagen, dass mir durch diese Fragestellung erst bewusst wird, in welcher Blase ich mich während meinen Ausstellungen befinde. Ich führe nämlich meistens Gespräche mit anderen Akteuren der Kulturszene, die ja im Grunde gesehen auch das „Publikum“ sind, jedoch tauscht man sich dabei mehr über aktuelle und zukünftige Projekte aus und lernt sich kennen. Das positive Feedback ist dabei für mich die eigentliche Einladung, sich an einer Ausstellung zu beteiligen. Diese bieten wiederum immer gute Gelegenheiten, um zu lernen – ich habe viele interessante und anregende Inputs von aktiven Menschen erhalten, die ich sehr schätze und die mich auf neue Ideen brachten; sowohl im In- als auch im Ausland.
“Egal ob positiv oder negativ, jede Erfahrung hat mich einen Schritt weiter in der künstlerischen Entwicklung gebracht.”
In Georgien, dank der Kooperation mit der Galerie Daliko aus Krems, hatte ich während des Arbeitsaufenthaltes bei der Art Guild mit abschließender Ausstellung in der Galerie des Artmuseums Batumi einen regen Austausch mit Kunstschaffenden des klassischen Zweigs der Malerei. Mir ist die georgische Gastfreundlichkeit in Erinnerung geblieben und ich habe mich gefreut, einige der Teilnehmenden beim Symposium im Atelier an der Donau in Ybbs wiederzusehen.
Bei der XII Biennale Florenz war das anders. Während einer großen Kunstmesse machte ich die Erfahrung verstärkter zwischenmenschlicher Distanz und Konkurrenzdenkens, auch wurde ich hauptsächlich mit der wirtschaftlichen Seite des Kunstbusiness konfrontiert, vor allem von Seiten der Veranstalter.
Egal ob positiv oder negativ, jede Erfahrung hat mich einen Schritt weiter in der künstlerischen Entwicklung gebracht.
Die Auswirkungen der derzeitigen Pandemie haben den Kunst- und Kultursektor stark getroffen. Könntest du als freischaffende Künstlerin diesbezüglich sowohl über deine berufliche als auch private Lage und die damit verbundenen Folgen erzählen?
Der kulturelle Sektor hatte gleich doppeltes Pech: Er stellt die größte Begegnungszone dar, die zur Eindämmung der Pandemie ausgesetzt werden musste. Gleichzeitig wurde er als erstes heruntergefahren, was verdeutlichte, wie unwichtig dieser Bereich aus der Überlebenssicht des Staates ist. Neben den schlagartigen beruflichen Auswirkungen hat mich diese Einsicht auch persönlich stark ins Schwanken gebracht. Da ich mich früh der Kunst verschrieben habe, kamen zwar keine Zweifel an meiner Tätigkeit auf, jedoch zeitweilig starke Trauergefühle, da ich die Kunst als etwas Transzendentes und psychisch Notwendiges betrachte. Zu erkennen, wie wenig Wert diesem Aspekt in der Gesellschaft beigemessen wird, ließ mich ohnmächtig fühlen.
Beruflich war ich Anfang des Jahres 2020 stark engagiert: Ich war gerade dabei das Projekt „Kunst zu Recht Krems“ im Justizpalast Krems an der Donau kuratorisch aufzubauen und habe meinen Arbeitsvertrag für die „Kleine Galerie“ in Wien unterschrieben, wo ich den Nachlass Herwig Zens’ aufarbeiten sollte. Zusätzlich war meine Einzelausstellung in der Sommerakademie Motten für Juni 2020 fixiert. All diese Vorhaben wurden verschoben und ich hoffe, dass sie 2021 realisiert werden können. Auch die Sommerakademie Salzburg, für die ich mich angemeldet habe, sucht derzeit nach einer Lösung für die Durchführung ihres alljährlichen Programms.
Hast du von den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen bisher profitieren können oder Erfahrungen mit dem Härtefallfond gemacht? Wenn ja, genügen dir diese finanziellen Mittel?
In der Anfangsphase der Pandemie habe ich vom Künstler-Sozialversicherungsfonds eine geringe Förderung bekommen, für die ich sehr dankbar bin, jedoch bleibt diese wahrscheinlich einmalig. Mir ist nicht ganz klar, wie es mit dem WKO-Corona-Härtefallfonds für Kunstschaffende funktioniert, denn nicht alle sind Unternehmer. Wie sollen diejenigen im steuerfreien Basiseinkommensbereich, die ebenfalls mit den Folgen der Stornierungen von Ausstellungen und Folgeaufträgen leben müssen, unterstützt werden?
Neben meiner künstlerischen Tätigkeit habe ich eine Teilzeitanstellung, die mir über die Runden hilft. Ich kann mir gut vorstellen, dass diejenigen, die ausschließlich vom Eventbusiness leben, derzeit das schwerste Los gezogen haben und dass viele gezwungen sein werden, ihren Weg zu ändern.
In diesen Zeiten spricht man vielfach von einer sich ausbreitenden Solidarität in der Gesellschaft. Inwiefern spürst du dies innerhalb der Künstlerszene?
Ich spüre die Solidarität unter Kunstschaffenden in dem Sinne, dass man sich versucht nach der Gegebenheit der eigenen Möglichkeiten zu unterstützen – also Artikel zu verfassen, sich gegenseitig eine Plattform zu geben, die Reichweite auf Social Media zu erweitern, sich mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, soweit möglich. Es wurden Pläne geschmiedet für Projektrealisierungen nach dem Lockdown. Dabei wünsche ich uns allen viel Erfolg und dass der Kultursektor einen Aufschwung erfährt.
Wie kann man dich und andere Kunstschaffende in dieser Zeit unterstützen?
Es wäre wünschenswert, wenn der Staat in dieser schwierigen Zeit vermehrt auf Kunstankäufe und staatliche Aufträge setzen würde. Privatpersonen können die Kunstschaffenden auf Social Media direkt kontaktieren und um Arbeiten anfragen. Jeder Kunstschaffende freut sich über derartige Anfragen. Jedenfalls ist es besser Kunst direkt von Kunstschaffenden zu erwerben, als im Großhandel Dekoleinwände aus Massenproduktion zu kaufen.
Die Frage bleibt, ob die Menschen nach dem erlebten Wirtschaftsschock sich überhaupt noch für Luxusartikel interessieren werden, zu denen die Kunst zählt.
Alle Werke der Künstlerin und weitere Informationen zu ihren Arbeiten findest du hier: