Das Southside gehört im deutschsprachigen Raum zu den größten Open-Air Festivals mit mittlerweile 60.000 Besuchern jährlich. Das ältere Geschwister-Festival Hurricane im niedersächsischen Scheeßel beherbergt im Vergleich 70.000 Menschen. Nach einem schönen Southside letztes Jahr waren meine Erwartungen dementsprechend hoch. Auch stand 2018 das 20-jährige Jubiläum des Festivals an.
Die Festivalsaison ist schon lange eröffnet. Für meine Wenigkeit gibt es seit meinem 16. Lebensjahr aber nur ein Festival. Als gebürtige Stuttgarterin kommt nur das Southside Festival in Neuhausen ob Eck bei Tuttlingen in Frage. 2011 bin ich also das erste Mal aufs Southside Festival gefahren. Als Wiederholungstäterin besuchte ich die drei nächsten Jahre ebenfalls das Festival. Nach einer Unipause geling es mir dann letztes Jahr ein weiteres Mal. Meine Southside-Truppe seit 2017 besteht aus einem buntgemischten Haufen Leute, die auf dem Festival eine schöne Zeit haben wollen und gute Musik feiern.
Ich musste erstmal von Wien zum Southside Festival kommen. Erst im Regionalzug von Ulm nach Tuttlingen traf ich auf Gleichgesinnte. Den großen Reiseansturm hatte ich zur Abendzeit wahrscheinlich schon verpasst. In Tuttlingen angekommen bildete sich direkt an der Bushaltestelle zum Southside eine meterlange Schlange, die gut von der Festivalkoordination und der Polizei geregelt war. Keine 20 Minuten stand ich an der Bushaltestelle bis die ersten zwei Shuttle-Busse zum Southside kamen. Auch am Eingang des Festivals bin ich ziemlich schnell durchgekommen, da ich mit zwei kleineren Gepäckstücken zur FAST LANE konnte. Zu meinem Zeltplatz kam ich dann gegen halb 10 abends an. Meine Truppe war schon munterfröhlich gestimmt und richtig motiviert fürs erste Konzert. Donnerstagsabends gibt es auf dem Southside neben der Einstimmungsparty Radau und Rabatz von Dasding nämlich schon die ersten Konzerte auf der White Stage.
Von den Kmpfsprt, Blackout Problems, Heisskalt bis hin zu Trettmann war am Donnerstagabend meistens für jeden etwas dabei. Die Warm-Up Party ist ein MUSS für jeden Southsidegänger. Eröffnen durfte das Southside für uns die Band Heisskalt. Zu meiner Enttäuschung hat mir beim Konzert leider der gewisse Festivalkick gefehlt. Die nun dreiköpfige Band, die sich von dem Label Chimperator getrennt hat, stellte ihr neues Album vor, welches sie nun ohne Label rausgebracht haben. Da ich mich nicht inhaltlich mit dem neuen Album der Band beschäftigt hatte, habe ich mehr auf alte Songs gehofft. Die Festivalkracher, die eine Menge zum Moshpit führt, sind aus meiner Ansicht etwas zu kurz gekommen.
Danach haben wir die „Das Ding Radau & Rabatz“-Party begutachtet. In den vorherigen Jahren gab es vorm Festivalgelände direkt an der Landebahn ein Partyzelt in dem rund um die Uhr gefeiert wurde. Das Kondenswasser tropfte von der Decke auf unsere Köpfe. Dieses Jahr sah das Ganze ein bisschen anders aus. Statt dem Partyzelt gab es eine riesige Openair-Bühne an der Landebahn. Dies musste wohl aus logistischen Gründen geändert werden, denn die Partycrowd ist in den letzten Jahre stetig gewachsen. Das WM-Spiel Deutschland gegen Schweden war wohl ein weiterer Grund. Fröhlich tanzten wir uns ein bisschen in die Nacht bis die abgekühlten Temperaturen uns dann doch ins Zelt brachten.
Der Southsidefreitag: Motto – Green Stage or Go Home!
Ein wenig müde, aber dennoch motiviert ging es am Freitag schon los. Die ersten Konzerte starteten um 15.00 Uhr. Für ein Teil meiner Gruppe ging es um Punkt 17.00 Uhr zur Red Stage zu The Hunna. Die Jungs aus England machten starke Stimmung und präsentierten feinsten Pop-Rock.
Was manchmal ärgerlich ist: Wenn sich gute Bands überschneiden. Nichts lieber als sich in vier Teile aufteilen für Green, Blue, Red und White Stage wäre nahezu perfekt. Deshalb ging es für uns nach The Hunna direkt zur NOFX auf die Green Stage. NOFX ist ein wahre Punk-Legende und auch dieses Jahr überzeugten sie mit Ihrem einzigartigen Stil die Masse. Bunt ist es auf der Bühne und Sänger Fat Mike stolzierte in Kleidchen herum.
Darauf folgte gleich Franz Ferdinand. Für mich auf keiner Indie-Playlist zu fehlen, zeigte sich die Band auch von ihrer besten Seite. Ein Indie-Knaller nach dem Anderen wird gespielt. Die Stimmung auf der Green Stage stieg, während die Nachmittagssonne uns langsam nachgiebiger auf die Sonnenbrandnase schien.
Ordentlich aufgeheizt kamen im Anschluss die Chemnitzer Jungs Kraftklub. Spätestens zu dieser Zeit war die Green Stage rappelvoll. Kraftklub hat sich in den letzten Jahren zur beliebtesten Indie-Rock Band Deutschlands entwickelt. Ich kann mich noch gut darin erinnern wie ich 2012 bei Kraftklub gerade noch ins Zelt gekommen bin und die Stage danach wegen Überbelastung gesperrt worden ist. Sechs Jahre später und das zweite Mal auf der Green Stage. Von Pyros über ihre eigenen Backgroundtänzerinnen und -tänzer, bis hin zum geschulten Crowdsurfing-Rennen ist bei Kraftklub alles dabei gewesen. Auch ich war nach der Show eigentlich so gut wie am Ende meiner Kräfte angelangt.
Doch noch größer war dann doch die Motivation für Arctic Monkeys. Als ein richtiger Fan war es für mich natürlich ein Muss, die Band von ganz vorne zu erleben. Auch wenn ich mir mehr vom Album „Tranquility Base Hotel + Casino“ erwartet hatte, als die erwachsene Version der Arctic Monkeys, war ich gespannt auf die Performance. Lässig begann das Konzert mit „Four Out of Five“. Doch auch ältere Hits und Songs wie „Do I wanna Know?“, „505“, „I Bet You Look Good on the Dancefloor“ waren in der Setlist. Somit war für jeden Fan was dabei. Letztendlich beendete Alex Turner dann mit “R U Mine?” die Show.
Für den Freitag entschieden wir uns nach einem kurzen Warmup am Zeltplatz für die White Stage DJ Collective Party, wo wir unsere überschüssige Energie erstmal wegtanzten mussten.
Samstag ist meistens der beste Festivaltag – oder nicht?
Nach dem ersten richtigen Konzerttag wollte ich natürlich nicht schlapp machen und suchte schnell die Duschen auf, da mein Kreislauf doch nach einer Erfrischung lechzte. Das Wetter war irgendwas zwischen „viel zu kalt und windig für eine kurze Jeans“ und „boah wo gibt’s hier denn Schatten“. Zu meiner Überraschung waren statt den gewohnten Sammelduschen, sogar Einzelduschen an den Sanitäranlagen zu finden. Leider änderte das nichts an der Tatsache, dass die Frauenschlange viel zu lange war und mein Kreislauf mich das erst recht in der prallen Sonne spüren lassen hat. Ungefähr zwei Stunden später (nein das ist kein Spaß) war ich frisch geduscht und mein Kreislauf auch wieder intakt. Wer also gerne fresher unterwegs ist, sucht sich bitte frühe Zeiten zum Duschen aus oder stellt sich frech bei den Männern an.
Nach einer guten Mahlzeit und Flunkyball-Turnieren zwischen Zeltnachbarn und unserem Camp ging es für uns gegen 15.15 zu Neck Deep auf die Green Stage. Für meine Pop-Punk Seele zählte die Band zu einer meinen Highlights neben den großen Headlinern. Zwar war die Bühne nicht rappelvoll, aber die Leute die da waren, machten Stimmung. Auch der Frontsänger Ben Barlow freute sich über die Crowd und bestätigte die einzigartigen Moshpits in Deutschland. Mit einem gut aufgewärmten Publikum konnten die Donots auch nur einen draufsetzen. Mit ihrer Performance und ihrer Art hatten sie die Crowd auf Ihrer Seite und das Publikum wuchs mit dem Konzert. Zum Vergnügen holte die Band noch einen Festivalgänger, der als Jesus verkleidet war, auf die Bühne.
Zurück auf dem Weg zum Zeltplatz erhielten wir noch eine kleine Kostprobe von George Ezra, der mit seinem Indiepop die große Blue Stage bespielen durfte. Aus Entfernung sieht er entspannt aus, genauso wie seine Musik. Für meine Leute und mich ging es nach einer Erholungspause am Zeltplatz um 19.00 zu Haiyti, die auf der Red Stage performen durfte. Um ehrlich zu sein, kannte ich nur zwei bekanntere Hits, die tatsächlich auch gespielt wurden sind. Trotzdem steckte die Stimmung mich an und ich befand mich sogar irgendwann in einem großen Moshpit.
Als wir uns zum Public Viewing aufmachten, konnten wir noch ein klein wenig Wanda erleben, die gerade ihre letzten Songs spielten und ihr bestes auf der Blue Stage gaben. Geplant war ursprünglich, das WM-Spiel Deutschland gegen Schweden zu schauen. Den Plan haben wir dann mit der Erkenntnis, dass wir viel zu spät dran sind und die Landebahn mit Massen an Menschen vollgestopft ist, umgeworfen und sind schlussendlich zu Broilers gegangen.
Dass das WM-Spiel im vollen Gange war, machte Broilers nicht wirklich was aus. Denn genug Publikum hatten sie auf jeden Fall. Die Punkrockband aus Düsseldorf feierte sich. Einer der wahrscheinlich emotionalsten Momente des ganzen Festivals in der sonst so punkigen Rockshow von Broilers ist die Einblendung von den verstorbenen Liebsten der Fans von Broilers während „Ihr da Oben“ abgespielt wird. Emotional und still, aber wunderschön. Rundum liefern Broilers eine packende Show und ein kleines Feuerwerk zeigte sich auch im Set.
Rockig ging es auf der Green Stage auch gleich weiter. Viertel nach elf fing Billy Talent an. Schon öfters live gesehen, ist Billy Talent auch ein wiederholtes Mal einfach grandios gewesen. Gute Bands bringen gute Liveshows. Großen Applaus wurde dem Drummer Aaron Solowoniuk gewidmet, der trotz seiner Multiple Sklerose auf die Bühne kam, um mit seinen alten Kollegen Songs zu spielen.
Energetisch ging es dann noch zum letzten Headliner des Samstags. Der Platz war bis auf den letzten Quadratmeter zugepackt mit Menschen. Um kurz vor eins startete Marteria direkt mit Songs seines aktuellen Albums „Roswell“. Aber auch die Klassiker „Endboss“, „Marteria Girl“ usw. haben in der Setlist ihren Platz gefunden. Wer niemals fehlen darf ist natürlich Marsi und der Grüne Samt. Egal ob im Remix mit Kid Simius oder in der 4 Wiederholung der letzten 20 Sekunden Marteria gab alles und hat sich mit seiner Crew den großen Applaus verdient. Marteria hat auch uns die letzte Power für den Festivalsamstag geraubt und leider reichte es bei uns nicht mehr bis zu den Lila Wolken.
Der Sonntagsmix aus Indie, Rock, Hip-Hop und Chartsmukke
Zweieinhalb Tage Festival machten sich am Sonntag schon bei jedem etwas bemerkbar. Die ersten unserer Gruppe planen schon die Heimfahrt und trotzdem wollte niemand richtig wahrhaben, dass wir eigentlich so gut wie am letzten Kuchenstück des Festivals angekommen waren.
Sehr pünktlich zog es uns schon um halb zwei zu SXTN. Man beachte: SXTN hat 2017 auf der Red Stage gespielt, als zahlreich Leute umgefallen sind und das Zelt außer sich war. Mit einer auch deutlich größeren Fanbase spielten Juju und Nura einen Hit nach dem Anderen. Einzelne Fans wurden in den ersten Reihen von Konzerten wiedererkannt, Geschenke wurden entgegengenommen. Ihr Konzert beendeten SXTN mit „Von Party zu Party“.
Wir blieben gleich auf der Blue Stage, denn als nächster war Prinz Pi dran. Zum Nachmittag hin wurde auch die Crowd immer größer trotz Abreisestimmung und Sonntagsmüdigkeit. Songs vom 2017er Album „Nichts War Umsonst“ über „Kompass Ohne Norden“, „Im Westen Nix Neues“ aber auch die wirklichen Oldies wie „der neue iGod“ und „Generation Porno“ wurden performed.
Für uns war Stagewechsel angesagt, denn Punkrock gab es, wie an den anderen Tagen auch, auf der Green Stage. Nach dem Krafttanken ging es dann munter weiter mit Madsen um 16.45. Madsen schaffte es die Menschen nochmal mit ihren legendären Hits „Du schreibst Geschichte“, „Lass die Musik an“ oder „Die Perfektion“ das Publikum zum Toben zu bringen. Erwähnenswert ist nochmal das Madsen auch extra zu eine Moshpit für Frauen aufgerufen hat, welcher bei den weiblichen Fans natürlich sehr gut angekommen ist. Auch ich riss mich zusammen und tanzte die letzte Southsidepuste aus mir. Schließlich gab Sebastian Madsen noch zu, dass er das Southside gerne heiraten würde, aber ja schon verlobt sei.
Die ersten lauten Mädchenchöre erklingen dann spätestens bei der beliebten Indieband The Kooks. Auch sie entschieden sich für einen Mix durch ältere Hits und und neueren Singles und EPs. Am besten kamen dann doch die Oldies wie „Ooh La“, „Seaside“ und „Naïve“ an.
Die Beginner fingen kurz vorm Ende von The Kooks auf der Blue Stage an. Auch hier zeigt sich, dass das Southside auch Hip-Hop kann und dazu noch richtig guten. Die Füchse aus dem Norden überzeugten mit Liedern wie „Ahnma“ und „Meine Posse“.
Trotzdem wollte ich mir Biffy Clyro nicht entgehen lassen und bin dann wieder auf die Green Stage gegangen. Der harte Southsidekern hat auch bei Biffy Clyro noch Moshpits gebildet und mit vollstem Ehrgeiz mitgesungen. Die schottische Rockband präsentierte eine ganze Fülle an Songs von sehr rockig bis zu sehr kuschelig und rührend.
Für uns ging es dann noch auf einen kurzen Abstecher zu Martin Jensen. Dieser hatte die White Stage im Griff und feierte mit der Crowd seine besten Hits und Mixes durch. Manchmal stieg er sogar auf sein DJ-Pult, weil er so vom Publikum angetan war. Sein Hit „Solo Dance“ durfte da natürlich nicht fehlen. Wir versuchten uns nochmal unsere ganze Kraft weg zu tanzen und verabschiedeten uns nach Martin Jensen schon etwas wehmütig vom Festivalgelände.
Ein kleines Resumée – Southside es war mir ein Fest!
Drei Tage Festival ist für mich meistens der angenehmste Urlaub um den Kopf wirklich freizukriegen. Und auch noch am Tag der Abreise hatte ich ziemlich gute Laune. Also Southside 2018: Du hast mich trotz Änderungen bezüglich Partyzelt trotzdem überzeugt und mir die Seele gereinigt. Ebenfalls haben mir die kühlen Nächte auch ordentliches Fieber beschert. Das sind aber Sachen, die ich in meinen letzten Festivalbesuchen in Kauf genommen habe. Mir gefällt am Southside Festival vor allem der gute Mix von verschiedenen Genres. Viele Acts, die ich gerne gesehen hätte, haben sich natürlich überschnitten und das ist immer wieder schade. Aber auch ohne Musik kann man sowohl auf dem Festivalgelände als auch auf den Campingplätzen eine sehr gute Zeit verbringen.
Sehr gut hat mir gefallen, dass sehr viele Bands politische Statements abgegeben haben. Egal ob gegen Trump, die AFD oder allgemein zum Thema Rassismus: Man darf ruhig daran erinnert werden, dass man als Musiker/in oder Künstler/in politisch sein darf.
Ob ich nächstes Jahr wieder aufs Southside gehe? Höchstwahrscheinlich ja, auch ohne jegliche Bestätigung großer Headliner oder Acts. Mittlerweile sind die ersten Frühbuchertickets schon weg und das auch nicht unbegründet. Wer mich nächstes Jahr auf dem Southside findet, kann gerne eine Runde Flunkyball gegen mich verlieren.