Gold und Platin in Deutschland – die Erfolge sprechen für den in Ottakring aufgewachsenen Hiphop-Producer Freshmaker. Dass seine Beats das Prädikat fresh verdienen, davon kann man sich schnell überzeugen: Unzählige Kollaborationen mit der Créme de la Créme des deutschsprachigen Hiphops sowie mit einigen namhaften internationalen Acts beweisen, dass sich dieser großgewachsene Mann mit kroatischen Wurzeln längst als Garant für Headbanger in der Hiphop-Welt etabliert hat.
Wir haben uns mit Freshmaker in der ehemaligen Traktorfabrik für ein Interview getroffen. Nach eigenen Aussagen sucht er sich etwa alle zwei Jahre eine neue Werktstatt zum Beatbasteln. In seinem neuen Studio in Floridsdorf gewährte er uns einen Blick hinter die Kulissen eines österreichischen Hiphop-Produzenten, der zurzeit zu den erfolgreichsten hierzulande gehört.
Lieber Freshmaker, lass uns von vorne anfangen. Wie kann man sich bei dir einen typischen Arbeitstag vorstellen? Also Montagmorgen…
Montagmorgen gibts nicht. (lacht) Nein im Ernst, ich habe seit einem Jahr ein zweites Standbein, das ich als Ausgleich brauche. Ich nenne das mal Business 1. Also aufstehen, Business 1, warten bis es Abend wird und dann ins Studio bis zwei, drei Uhr in der Nacht. 60 Stunden in der Woche sind normal. Beats machen kann ich in der Früh und zu Mittag nicht so gut. Im Sommer ist es besonders schwierig, wenn alles duftet und die Sonne scheint. Disziplin ist aber das Wichtigste. Du musst immer wissen, was du am nächsten Tag machst.
Was ist für dich der Unterschied zwischen Hiphop in Österreich und Hiphop in Deutschland? Was hat Deutschland, was Österreich nicht hat?
Erstens einmal haben sie eine viel größere Medienlandschaft. Die haben Radiosender, wo nonstop Hiphop gespielt wird. Das gibt es in Österreich nicht. Auch die größten Magazine kommen aus Deutschland: hiphop.de, Juice, Backspin, das gibt es in diesem Ausmaß in Österreich leider nicht. Dann gibt es auch Radiosender, wo Deutschrap fokussiert wird. Das ist mal Punkt eins. Punkt zwei ist wohl die Einwohnerzahl. Du hast in jeder deutschen Stadt zehn krasse Rapper. Gut rappen zu können reicht heutzutage leider nicht aus. Du musst auch eine Marke verkörpern. Es kommt auch darauf an, wie du dich vor der Kamera bewegst, wie deine Stimme klingt. Ich will das nicht verallgemeinern, es gibt auch in Österreich junge Leute, die sich mit Marketing und Social Media gut auskennen. Aber wie gesagt: Nur gut rappen zu können, reicht leider nicht aus.
Welche Zusammenarbeit war für dich am Interessantesten oder am Lustigsten?
Was die Arbeitsweise und die Fokussiertheit angeht: Cr7z, der von Savas viel Support bekommt, und das heißt einiges. Ein crazy Typ, der sich von der Autotune-Szene distanziert und für den ich sehr viel mache. Der hört Beats und sieht dabei Farben. Außerdem macht er zehn identische Takes und hört jede einzelne Silbe raus, die nicht perfekt ist. Der lustigste Typ war mit Sicherheit Money Boy. So wie man ihn von den Interviews her kennt, so habe ich ihn auch persönlich kennengelernt. Das Recording mit ihm werde ich nie vergessen. Du musst die ganze Zeit bei ihm lachen. Vom Spaßfaktor her sicher Money Boy.
Das krasseste Erlebnis war mit 6ix9ine. Der war zusammen mit Lacrime im Studio. Im September war ich beim Chinesen und plötzlich erhielt ich einen Anruf von einer deutschen Nummer: „Hey, kannst du am Sonntag nach Mitternacht ins Studio?“ Ich wunderte mich und fragte nur, wer kommt. Das war alles topsecret. Ich musste also noch Getränke kaufen und das Studio, das hinterher wie neu ausgeschaut hat, sauber machen. Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen! 30 Leute bei mir im Studio, sechs Securities, nämlich drei für jeden Rapper, und viele Freunde, die jeden einzelnen Take bewerten mussten. 6ix9ine war auch ungewöhnlich nett und hat sich mehrmals bedankt.
Was willst du uns über dein neues Album „Fusion“ erzählen, das am 18.1.2019 erschienen ist?
Es handelt sich hier um mein zweites Produceralbum, welches auch im Handel erschienen ist. Seit „Checkpoint“ sind fünf Jahre vergangen und viele haben mich immer wieder gefragt, wann etwas Neues kommt. Dann bin ich eines Morgens aufgewacht und dachte mir, dass ich meine eigene CD im Markt erhältlich haben möchte. Die Platte heißt „Fusion“, weil ich jeden einzelnen Rapper mit dem Beat, der meiner Meinung nach für ihn am Besten passt, verschmelzen lassen wollte. Eko fresh lass ich zum Beispiel auf einen Boom bap Beat rappen. Oder Jeyz auf einen Trap-Beat, weil er da gut abgeht.
Wie bist du auf die Rapper gekommen?
Ich wollte viele verschiedene Rapper oben haben und suchte sie mir nach drei Kriterien aus: Erstens: Mit wem habe ich viel Kontakt?Zweitens: Wer kann mich musikalisch auch persönlich überzeugen? Drittens: Wer macht etwas eigenes beziehungsweise etwas anderes, als gerade in ist?
Wie groß ist deine Bibliothek insgesamt? Und wie viele Beats liegen bei dir noch in der Schublade herum?
In den zwölf Jahren hab ich wohl 700 Beats verkauft. Jetzt sind noch circa 400 frei. Also in Summe vielleicht 1100 bis 1200 Beats, die sich in zwölf Jahren angesammelt haben. Das sind circa 100 Beats pro Jahr.
Wann hast du das erste Geld gesehen?
2007 habe ich begonnen und das erste Geld gesehen habe ich 2013. Aber 2007 hab ich schon mal einen Beat für 30 € verkauft. Ich bin mit dem Geld dann wetten gegangen und habe es verdoppelt. (lacht) 2013 oder 2014 kamen aber schon Summen, von denen man stressfreier überleben kann.
Was ist deine Motivation immer weiterzumachen?
Die Motivation ist leicht erklärt. Es macht mir einfach Spaß. Ich werde wahrscheinlich noch mit 80 Jahren Beats machen. Wenn meine Enkelkinder dann rappen, bekommen sie halt Gratis-Beats von ihrem Opa. (lacht) Wenn ich zwei, drei Tage keine Beats mache, fühle ich mich leer. Ich nehm sogar den Laptop mit, wenn ich ans Meer fahre. Motivation bekomme ich aber auch von meiner Mutter. Sie kam mit 18 Jahren und noch gebrochenem Deutsch nach Wien und arbeitete als Krankenschwester. Ein paar Jahre später war sie Stationsleitung. Und das mit drei Kindern. Mir hat nie etwas gefehlt. Nebenbei hat sie auch noch mit dem Papa ein Haus in Kroatien gebaut. Und das alles in diesen jungen Jahren.
Dein Vorbild als Producer?
Scott Storch hat bei mir eine Ära geprägt. Der hat Beats gemacht, die man noch in hundert Jahren kennt.
Was sagst du zur Abschaffung des Echo-Preises?
Ja, da hab ich wohl auch in gewisser Weise meine Finger im Spiel. Die Tracks, die dazu geführt haben, waren „0815“ und „Wenn der Gegner am Boden liegt“, wo ich den Beat dazu geliefert habe. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, aber ich weiß, dass vor ein paar Jahren Rapper wie Bushido noch sehr homophobe Texte hatten. Da hat sich bis auf ein paar Menschenrechtsorganisationen keiner aufgeregt. Bushido war trotzdem für den Echo und auch andere Preise nominiert. Man kennt doch den Humor von Farid Bang und Kollegah. Natürlich kann ich aber die Reaktion verstehen, da es sich um ein heikles Thema handelt. Wegen zwei Künstlern wurde aber der Echo abgeschafft? Was soll man dazu sagen. Ich denke, dass da auch andere Dinge nicht rund gelaufen sind.
Deine drei Lieblingsrapper aus Österreich?
Chakuza auf jeden Fall. Er hat meine Jugendzeit geprägt. Ich bin in die HTL gefahren und hab mir seine Sachen mit dem mp3-Player angehört. Technisch, lyrisch, stimmungstechnisch einfach krass. Dann vielleicht noch Lent, ein junger Typ aus Linz. T-Ser hat seinen eigenen frischen Style, hat was.
Dein Lieblingsessen?
Lasagne und Döner vom Meiselmarkt.
Gibt es zukünftige Projekte, von denen du schon was verraten willst?
Ja, nämlich das Hanybal-Album, wo ich ein Drittel mitproduziert habe. Das neue Album von Milonair, auch bei Azzlacks, habe ich produziert. Celo & Abdi, sowie Olexesh wird man auch auf meinen Beats hören können als Feature-Gäste. Dann wird man was Neues von AchtVier aus Hamburg hören, der früher in der 187-Clique dabei war. Das neue Sinan-G Album kommt jetzt außerdem. Von den anderen Projekten darf ich noch nichts verraten.
Vom Xylophon zum Hiphop – eine Erfolgsgeschichte
Mario alias Freshmaker ist in Ottakring mit zwei Brüdern aufgewachsen und ging in die HTL zur Schule. Seine Mutter ist aus Bosnien, der Vater aus Kroatien. Im Kindergarten spielte er bereits Xylophon, Flöte und Gitarre. In der Volksschulzeit spielte er sogar jeden Sonntag in der Kirche. Eines Tages bekam er Bushidos Album „Electro Ghetto“ in die Hand gedrückt und verliebte sich sehr schnell in die düsteren Beats. Bald entstand der Wunsch, diesen Sound selber produzieren zu können. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade mal 17 Jahre alt und die Zukunft lag noch in weiter Ferne.
Einen normalen 9-to-5-Job und jede Woche 40 Stunden runterrattern, das war nicht unbedingt nach seinem Geschmack. Sein erster fertiger Beat entstand 2007; im selben Jahr begann er als IT-Techniker zu arbeiten. Kidpex entdeckte ihn kurze Zeit später via myspace und schrieb ihn direkt an. Ein Jahr später landete ein Beat aus seiner Hand auf dessen Album „Gastarbeiterlife“, die im Handel erhältlich war. Ein „Riesengefühl“, wie er sich heute noch erinnert. Nach und nach kamen mehr Leute auf ihn zu. 2010 knüpfte er über Kidpex Kontakte zu anderen Ex-Jugoslawen aus Deutschland. Für „Vorsicht Balkan“ produzierte er einige Beats. Was Freshmaker damals noch nicht wusste: Die Jungs waren Freunde von Kollegah, der wenig später auf seiner Tour in Wien Station machte. Zufälligerweise bekam dieser seine Beats zu hören. Kollegah lud Freshmaker daraufhin auf Cevapcici in der Balkanstraße ein, wo der Besitzer wegen dem Ansturm der Fans seinen Laden extra zusperren musste. Im Tourbus dorthin mit Favorite, 257ers und Kollegah von Selfmade Records – das war für ihn dann doch ein besonderes Ereignis, an das er sich gerne zurückerinnert.
Zum Abschied erinnerte ihn Kollegah daran, nicht zu vergessen, ihm seine Beats zukommen zu lassen. Das Beat-Tape war natürlich am nächsten Tag fertig, einen Wackelkandidaten stellte er auch noch dazu. Es floss nur wenig Wasser den Bach hinunter, als er in der Arbeit plötzlich Anrufe und Nachrichten von Freunden erhielt: Kollegah veröffentlichte sein Mixtape Hoodtape Volume 1, wo Freshmaker, ohne es zu wissen, als Producer namentlich erwähnt wird. Es handelte sich um den Beat, den er ursprünglich gar nicht mitschicken wollte. Er war nun der erste und bisher einzige Österreicher, der für Kollegah einen Beat produziert hatte: Das öffnete ihm jede Menge Türen. So entstand mit der Zeit Kontakt zu anderen Rappern wie Blut & Kasse, Farid Bang, Pa Sports, 18 Karat und Kontra K. Er hatte zuvor bereits Beats an etablierte Künstler, Universal Austria und Sony verschickt, jedoch nie eine Antwort erhalten. Das sollte sich nun ändern. Plötzlich hatte er nicht mehr soviele Beats wie Anfragen. Die Zeiten änderten sich. Neben der Arbeit, Familie und Freunden auch noch fünf bis zehn Beats pro Woche bauen, das ging nur mit eiserner Disziplin.
Er hatte nun genug persönliche Kontakte, um sein erstes eigenes Album zu produzieren und sich die Rapper auszusuchen. Dieses Tape schickte er ebenfalls herum und zack: Von Sony in Deutschland bekam er einen Dreijahresvertrag. Mit Haftbefehl im Praterdome oder mit Olexesh beim Friseur, Freshmaker lernte nach und nach alle deutschen Rapgrößen kennen und weiß heute zahlreiche Anekdoten zu erzählen.