Vom Tante Emma Laden bis zum Lighthouse Festival: Mit einem feinen Gespür für treibende und melodische Tracks animiert er sein Publikum seit vielen Jahren zum Tanzen. Wir haben uns in Innsbruck mit dem Labelgründer und DJ Alex Wirth getroffen und mit ihm über Leap Records, seine Arbeitsweise und andere Themen gesprochen.
Alex Wirth von Leap Records im Interview
Wie kann man sich einen 18-jährigen Alex Wirth vorstellen?
Mit 18 war ich in der Innsbrucker Hiphop-Szene recht aktiv, war Mitglied der Beatniks Crew und in einigen Scratch-Formationen. Die meiste Zeit habe ich im Studio verbracht, Tapes aufgenommen und gemeinsam mit Freunden wie DJ Sight, Mosch und Mono:Massive an Tracks getüftelt. Der Mono ist ja ein klasse Produzent mit ihm arbeite ich nach wie vor sehr gerne zusammen. Aufgelegt habe ich damals zum Beispiel im Couch Club, Workstation oder im Utopia. Das war damals unsere goldene Zeit in den späten Neunzigern.
Wann hast du Techno beziehungsweise Deep House für dich entdeckt?
Das war einige Jahre später. Gemeinsam mit Florian Scheibein habe ich meine ersten Raves in Zürich in der Dachkantine erlebt. Das war der erste Kontakt mit Deep House und Minimal Techno für mich. Der Wechsel in die elektronische Szene war dann fließend. Ich habe immer weniger mit der damaligen Entwicklung der Hiphop-Kultur anfangen können, in der Goldketten auf einmal wichtiger als Message und Beats waren. Allerdings muss ich auch sagen, dass sich einiges wieder geändert hat, es gibt wieder sehr viele qualitative Beatproduzenten in Sachen Boom Bap und auch im Rap. Mich hat House und Techno einfach fasziniert. Wie dieser Sound auf Menschen wirkt und welche Energie freigesetzt wird, wenn diese Platten laufen, finde ich bis heute noch faszinierend. Ja so bin ich da reingerutscht und für ein paar Jahre nach Berlin gegangen. (grinst)
Du führst seit 2012 das Label Leap Records mit Florian Scheibein und hast zahlreiche Platten veröffentlicht, mit welchen größeren Schwierigkeiten hattet ihr am Anfang zu kämpfen ?
Der Markt für Platten im elektronischen Bereich ist eher klein und überschaubar. Das bedeutet man darf nicht damit rechnen mit einem Vinyl-Label reich zu werden, sondern hier zählt wirklich die Liebe zur Musik. Wir legen großen Wert auf Qualität, (einen Wiedererkennungswert) eigene Schiene und bewegen uns eher außerhalb des Mainstreams. Typische limitierte Auflagenhöhen sind 300 bis 500 Stück, die über unseren internationalen Vertrieb Decks Records verkauft werden. Der österreichische Markt ist einfach zu klein um rentabel zu sein, weshalb ein internationaler Vertrieb sehr empfehlenswert ist. Die größte Schwierigkeit war und ist die Rentabilität, vor allem wenn man die ganze Arbeit bedenkt, die in so einem Release steckt – von der Auswahl bis zur Fertigstellung der Platte ist es ein sehr langer Weg. Das geht nicht von heute auf morgen.
Was war die Intention der Gründung von Leap Records?
Das Interesse an Musik und am Produzieren war ja immer schon da. Flo und ich haben uns durch das Auflegen außerdem ein großes Netzwerk von Musikern und DJs aufgebaut. Und selbst hat man ja auch in seinem Home Studio an eigenen Produktionen gearbeitet. Dabei entstand bei uns irgendwann die Idee, selbst ein Label zu gründen. Wir waren beide schon lange in der Musikszene, wir haben genug Leute gekannt und die Tracks waren auf der Seite. Bei Leap war aber nie das Ziel möglichst bekannte Künstler zu releasen, sondern wir haben stattdessen nach talentierten interessanten Locals sowie internationalen Köpfchen Ausschau gehalten. Seit ein paar Jahren haben wir zudem ein Sub Label unter dem Namen First Music.
Würdest du alles nochmal so machen?
Schwierige Frage… man lernt mit den Jahren natürlich immer dazu. Und klar gibt es Dinge die man vielleicht anders entschieden hätte. Ich würde zum Beispiel mehr Fokus auf Promotion legen und da mehr Energie investieren.
Wer ist Phil Madeiski?
Phil Madeiski hat die Leap 002 produziert. Ein Kumpel hat uns auf ihn aufmerksam gemacht und wir haben sofort sein Talent erkannt. Phil kommt ursprünglich aus Südtirol, lebte damals in Wien und für uns war klar, mit ihm wollen wir eine Platte machen. Die Leap 002 ist eine zeitlose Scheibe und bis heute einer unserer Lieblingsreleases. Mittlerweile wohnt Phil in Berlin und hat selbst ein Label. By the way vor ein paar Tagen ist ein Remix der Nummer Plain Base veröffentlicht worden.
Du warst ja von Anfang an am Lighthouse Festival dabei. Letztes Jahr ebenfalls. Erzähl mir etwas darüber!
Ich kann mich noch gut an das erste Festival erinnern. Damals war die ganze Sache noch viel kleiner und im Grunde war es ein Ausflug der damaligen Pratersauna Leute ans kroatische Meer. Mittlerweile ist das Festival ja riesig und auch international bekannt. Ich muss sagen das erste mal am Meer zu spielen auf dem klasse Soundsystem war genial. Seit sieben Jahren sind wir mittlerweile dabei, meistens spielen Flo und ich die Sonntags Nachmittags Afterhour. (grinst) Es war jedes Jahr spektakulär und ich kann jedem das Festival empfehlen, der Bock auf einen mehrtägigen Feierurlaub am Meer hat.
Kannst du mittlerweile von der Musik leben?
Nur von der Musik zu leben ist schwer. Ich habe früher viele DJ Gigs gemacht und habe so meine Miete ganz gut bezahlen können. Mittlerweile trete ich was das Auflegen angeht etwas zurück, man wird nicht mehr jünger. (lacht)
Ich verbringe mehr Zeit mit Produzieren und habe sogar letztes Jahr zwei Alben rausgebracht: Wave Drifters und City Slices. Ich mache nebenbei auch einen Teil des Tante Emma Bookings, und gehöre dort zu den Residents, so kommt man irgendwie um die Runden, weiters habe ich die Fotografie für mich entdeckt.
Wo findest du deine Sounds beim Produzieren?
Aus vielen verschiedenen Gefilden. Da ich vom Hiphop komme bin ich natürlich auch ein leidenschaftlicher Sampler, aber hauptsächlich aus meinen Synthesizern wie Drum Machines. Ich arbeite sehr gerne mit Ableton Live. Im Endeffekt ist es eine Mischung aus allem. Man fängt mit einem Beat an, findet sich in das Stück und entwickelt von der Baseline aus eine Geschichte. Manchmal singe ich auch selber was ein. (lacht)
Woraus schöpfst du deine Inspiration?
Musik hat mich immer schon sehr berührt. Ich versuche ja auch immer eine Geschichte in meinen Tracks zu erzählen. Eine große Inspiration war sicher mein Vater, der leidenschaftlicher Jazzmusiker ist. Außerdem gibt es so viel gute Musik da draußen, die einen immer wieder aufs Neue inspiriert.
Welche heimischen DJs feierst du so?
Einige. In Innsbruck fallen mir spontan Easyridler und Kapellmeister ein. Die zwei spielen fast jedes Wochenende in der Tante Emma traumhafte, erwachsene Sets an der Bar. Es gibt auch viele neue Crews wie zum Beispiel Move and Connect, Kopfbeifuss, Schlaflos oder Merkwürdig, die auch viele neue talentierte Heads haben.
Wie beurteilst du die Clubszene in Wien ?
Also, wenn ich ehrlich bin, ist in Wien ein bisschen der Knoten drinnen. Klar gibt es leiwande Partys mit tollen internationalen Bookings, aber – meiner Einschätzung nach – ist es meistens etwas oberflächlich. Sogar Fotos werden in den Clubs gemacht und innerhalb der Szene fehlt dort ein gewisser Zusammenhalt. In Innsbruck ist die Musikszene für die Größe der Stadt sehr kreativ und man unterstützt sich gegenseitig und ist ehrlicher miteinander.
Was müsste passieren, damit der Knoten aufgeht?
Andere Artists, mit denen ich über das Thema gesprochen habe und die in Wien gespielt haben, sehen das teilweise auch so. Aber erklären können sie sich das auch nicht. Vielleicht, weil manche Wiener denken in der Hauptstadt ist man was besseres. Da fängt der Knoten schon an. Aber ich muss auch sagen, dass es natürlich auch viele tolle Leute beziehungsweise Musiker in Wien gibt. Schlussendlich ist weniger oft mehr und man sollte immer ehrlich und respektvoll miteinander umgehen.
Welches Geräusch verbindest du aktuell mit Wien?
Bitte keine Speisen in der U6 essen. (lacht)
Beim Hören fallen sofort detailverliebte Spielereien auf. Was macht für dich ein gutes Set aus?
Bei einem guten Set hört man Individualität heraus. Man muss dazu nicht unbedingt mit Turntables auflegen, klar kann man auch mit CD-Dj Player ein schönes Set spielen. Aber ich denke schon, dass man speziellere Tracks auf Vinyl findet, man hat es außerdem in der Hand im Gegensatz zu einem Mp3s. Ein guter DJ hat eine Plattentasche, die eine spezielle jahrelange Selektion beinhaltet. Man muss nicht der Mix Roboter Nummer eins sein, sondern es geht wirklich viel mehr um die Selektion und vor allem um den Vibe.
Du hast ja auch Hiphop gemacht beziehungsweise viel gehört, inwiefern hat dich das als Techno-Produzent bei deiner Arbeit beeinflusst?
Beim Produzieren auf jeden Fall. Denn House und Hiphop liegen sehr nahe beinander. Im Techno Bereich lässt sich das nicht vergleichen, das ist eine andere Geschichte.
Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Musik wird mich mein Leben lang begleiten, das ist ganz klar. Allerdings entwickelt man sich weiter, ich habe auch zum Beispiel mein Interesse an der Fotografie entdeckt. Das könnte in Zukunft ein wichtigerer Faktor für mich werden. Was genau die Zukunft bringt, kann man nie wissen.
Wie schaut es in nächster Zeit mit Veröffentlichungen und Gigs aus?
Also ich arbeite gerade wieder an einer neuen EP. Bei Leap Records haben wir auch einige Releases anstehen. In unserem starken Tante Emma Club steht kommendes Wochenende der Geburtstag an. Sieben Jahre Tante Emma mit den großartigen Produzenten und DJs Mountain People aus der Schweiz. Da bin ich natürlich auch dabei, am 9. März spiel ich bei den Circa Afterhours in Wien und in Berlin steht ein Booking im Sisyphos an. Meine genauen Termine stehen auf Soundcloud wo man sich Mixe und Tracks anhören kann.
Danke für das Interview.
23.02 Tante Emma/Innsbruck
09.03 Circa Afterhours/Wien
19.04 Tante Emma/Innsbruck
17.05 Sisyphos/Berlin